Samstag, 10. März 2018

Die Not der Schulleiter

DÜSSELDORF. Die deutschen Schulleiter fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Das ist die zentrale Erkenntnis einer Forsa-Umfrage, die der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) am Freitag beim Schulleiterkongress in Düsseldorf vorstellte. 82 Prozent der 1200 in ganz Deutschland befragten Schulleiter gaben an, es belaste sie, dass Politiker bei ihren Entscheidungen den Schulalltag nicht genug beachteten. Für Nordrhein-Westfalen liegt dieser Anteil sogar bei 84 Prozent; hier wurden 252 Schulleiter befragt. Insgesamt geben sie der Schulpolitik nur die Note Vier.
Als konkrete Probleme nannten die Schulleiter mehrheitlich Zeit- und Lehrermangel sowie insgesamt knappe Ressourcen und steigenden Verwaltungsaufwand. Folgerichtig stehen bei den Änderungswünschen mehr Zeit und mehr Geld ganz oben. Schulleiter unter 40 können sich mehrheitlich auch vorstellen, ihren Job mit anderen zu teilen. Die jüngeren Schulleiter sind zudem besonders selbstkritisch. Von ihnen räumt mehr als ein Viertel ein, die Aufgaben nur gelegentlich, selten oder nie zur eigenen Zufriedenheit erfüllen zu können. "Die Politik ist auf dem besten Weg, die nächste Generation Schulleitung zu ruinieren", kritisierte VBE-Chef Udo Beckmann. 59 Prozent der unter 40-Jährigen gäben an, unzureichend auf ihre Aufgabe vorbereitet worden zu sein - doppelt so viel wie im Durchschnitt. An den Schulen in NRW ist der Lehrermangel - zumindest in der Wahrnehmung der Schulleiter - besonders akut: Knapp die Hälfte klagt über unbesetzte Stellen. 53 Prozent in NRW berichten auch, an ihrer Schule seien Seiteneinsteiger tätig, also Personen, die für ihren Unterricht keine Lehramtsausbildung haben. Im Bundesschnitt liegt dieser Anteil nur bei 37 Prozent. Zugleich geben 74 Prozent an, diese Seiteneinsteiger seien auf ihre Aufgabe nicht systematisch pädagogisch vorbereitet worden - neun Prozentpunkte mehr als im Bundesschnitt. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz lag im Schuljahr 2016/17 der Anteil der Seiteneinsteiger an allen Neueinstellungen bei gut acht Prozent, mit steigender Tendenz. Auch berufsbegleitende Qualifizierungen sind in NRW offenbar seltener als in anderen Ländern. "Wenn schon Seiteneinstieg, dann mit entsprechender Vorqualifizierung", forderte VBE-NRW-Chef Stefan Behlau: "Den Lehrerberuf erlernt kein Mensch nebenbei." Trotz aller Probleme gehen fast alle Schulleiter gern zur Arbeit - 96 Prozent in NRW. Und 73 Prozent (in NRW sogar 81) würden ihren Beruf auf jeden Fall oder wahrscheinlich weiterempfehlen. LEHRERMANGEL Bis zum Jahr 2025 brauchen Berufsschulen laut einer Studie für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) etwa 22 000 Lehrer mehr als bislang erwartet. "Bis zu diesem Zeitpunkt werden fast 340 000 Schüler mehr an berufsbildenden Schulen lernen, als bisher von der Kultusministerkonferenz (KMK) berechnet", warnte Ansgar Klinger aus dem GEW-Vorstand am Freitag bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Nach der KMK-Schülerzahlprognose wären 2025 etwa 129 000 und nach der Fibs-Prognose rund 151 000 Lehrer erforderlich. (afp)

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