Freitag, 9. September 2016

SPD liebäugelt mit "G8 Flexi"

DÜSSELDORF. Als Eva-Maria Voigt-Küppers, Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, im August 2015 öffentlich über einen "Plan B" zum "Turbo-Abitur" nachdachte, brach in Düsseldorf ein parteiinternes Sommertheater los. Voigt-Küppers hatte gewagt, Wahlmöglichkeiten zwischen acht und neun gymnasialen Jahren ins Gespräch zu bringen und ein "G 8,5" nicht auszuschließen.
Fraktionschef Norbert Römer, Vertrauter von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), pfiff die Kollegin zurück: "Es gibt in der SPD-Landtagsfraktion keine Pläne, das Abitur nach acht Jahren infrage zu stellen oder gar abzuschaffen." Dass sich der Umgang der SPD mit dem Thema "Turbo-Abitur" seither gewandelt hat, war zu Wochenbeginn zu beobachten. Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) bezeichnete die verkürzte Schulzeit als "Versündigung" an der jungen Generation und ermunterte ganz unpräsidial dazu, "Scheiße zu nennen, was Scheiße ist". Es gilt als ausgemacht, dass die Sozialdemokraten beim Landesparteitag am 24. September in Bochum eine Kehrtwende in Sachen "G8" einleiten werden. Die Parteispitze will auf Drängen der Basis einen Leitantrag formulieren, der die Schulstrukturdebatte in NRW neu eröffnet. Mehrere SPD-Unterbezirke fordern eine Art "G8 Flexi", damit auch an Gymnasien Schüler in unterschiedlicher Geschwindigkeit den Weg zum Abitur nehmen können. Als Blaupause könnte ein Parteitagsantrag der Kölner SPD dienen: Die Sekundarstufe I an Gymnasien soll wieder auf sechs Jahre erweitert und die Sekundarstufe II dafür je nach Leistungsvermögen des Schülers flexibilisiert werden. Problem: Die Kultusministerkonferenz hat festgelegt, dass die Oberstufe drei Schuljahre umfassen muss. Ministerpräsidentin Kraft hatte noch in den Sommerferien Reformen abgelehnt und auf die Verbesserungsvorschläge eines "Runden Tisches" von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verwiesen, der Ende 2014 stattgefunden hatte. Löhrmann hatte Eltern- und Lehrervertretungen eingeladen sowie Maßnahmen wie weniger Hausaufgaben und Lernstoff festgelegt. An "G8" sollte jedoch nicht gerüttelt werden. Die grüne Schulministerin, ironischerweise selbst nie G8-Befürworterin, hatte 2010 zum letzten Mal den Schulen die G9-Rückkehr freigestellt. Nur 13 von 628 Gymnasien entschieden sich damals dafür. Um das Duo Kraft/Löhrmann wird es bei dem Thema jedoch einsam. Mit der Landeselternschaft der Gymnasien hat eine entscheidende Interessenvertretung dem "Turbo-Abitur" die Loyalität aufgekündigt. Selbst Bayern und die einst glühenden Befürworter der NRW-FDP sind von der Schulzeitverkürzung abgerückt. Acht Monate vor der Landtagswahl wächst der Druck. In der SPD werben deshalb viele für ein "G8 Flexi", auch wenn sich daran Fragen knüpfen: Wie viele zusätzliche Lehrer würden benötigt? Wie groß wäre der Aufwand? Begründen wollen die Sozialdemokraten die Kehrtwende wohl mit einer Art Geburtsfehler-Theorie: Schwarz-Gelb habe bei der G8-Einführung mit der Verdichtung des Lernstoffes in der Sekundarstufe 1 das Gelingen der Schulzeitverkürzung unmöglich gemacht. Nun müssten leider Strukturreformen her.

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