Donnerstag, 29. Oktober 2015

Bald fehlen 2000 Lehrer

Düsseldorf. Eltern- und Lehrerverbände fürchten einen weiter steigenden Unterrichtsausfall an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Schon vor dem Flüchtlingsstrom fehlten nach Angaben des Landesrechnungshofs 3560 Lehrerstellen, um die Stundentafel zu erfüllen. Nach Schätzungen des Vorsitzenden der Bildungsgewerkschaft VBE, Udo Beckmann, werden bis Ende 2016 in Nordrhein-Westfalen etwa 90 000 Flüchtlingskinder in die Schulen kommen. "Dafür brauchen wir allein 5000 Stellen, NRW stellt aber nur 3000 Lehrer für schulpflichtige Flüchtlinge ein. Einfache Rechnung: eine neue Deckungslücke von 2000 Lehrern", sagte Beckmann dieser Zeitung.
Philologenverband und VBE fordern bereits eine Stellenreserve von mindestens 8000 Lehrern, um Unterrichtsausfall wegen Krankheit, Schwangerschaft und Anforderungen der Inklusion zu vermeiden. "Die Schulen kommen schon jetzt nicht mehr zurecht. Durch die Aufnahme der Flüchtlingskinder wird die Lehrerdecke noch kürzer", sagte NRW-Philologenchef Peter Silbernagel. Das Schulministerium beziffert den Unterrichtsausfall aktuell auf 1,7 Prozent der Stunden. Der Vorsitzende der Landeselternschaft Gymnasien, Ulrich Czygan, berechnet den tatsächlichen Ausfall aber mit "vier bis sechs Prozent". Für Beckmann "ist jede Unterrichtsstunde, die nicht gegeben wird, Unterrichtsausfall". Der VBE-Chef schätzt, dass NRW-Lehrer pro Schuljahr mindestens eine Million unbezahlte Stunden - häufig auch fachfremd - Vertretungsunterricht erteilen. Im Schulausschuss stellte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) klar, dass NRW keine reinen Flüchtlingsklassen bilden wolle. Den Vorstoß der CDU-Schulexpertin Petra Vogt, auslaufende Hauptschulen gezielt für Flüchtlingskinder zu nutzen, wiesen SPD und Grüne zurück. Ziel sei es, Flüchtlingskinder möglichst schnell in Regelklassen zu integrieren. Zudem habe bisher keine Kommune wegen der Flüchtlinge Auslaufbeschlüsse wieder rückgängig gemacht. Die SPD-Abgeordnete Renate Hendricks mahnte, dass Kommunen an der Rheinschiene zunehmend Schulräume fehlten. Längst müssten Städte wie Köln und Bonn über den Neubau von Schulgebäuden nachdenken, sagte die Grünen-Abgeordnete Sigrid Beer. In Düsseldorf demonstrierten Eltern gestern gegen den Unterrichtsausfall. Viele Fächer würden nur noch sporadisch oder gar nicht mehr unterrichtet, klagte die "Elternschaft Düsseldorfer Schulen". NRW-Schulministerin Löhrmann verwies im Ausschuss darauf, dass das Land in diesem Jahr rund 4000 Lehrer zusätzlich einstellen werde. Der Bildungsexperte Klaus Klemm erwartet aber, dass vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern künftig Lehrer fehlen werden. Durch die Pensionierungswelle werde sich die Zahl der Lehrkräfte in den MINT-Fächern (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bis 2025 halbieren.

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