Sonntag, 7. Juni 2015

Gute Note für leeres Blatt Papier

DÜSSELDORF. Die letzten Stunden haben Spuren hinterlassen: Sichtlich nervös und zerknirscht entschuldigt sich Armin Laschet vor den CDU-Fraktionstüren für die "Noten-Affäre" an der RWTH Aachen. Laschet steht unter Druck, weil dem Lehrbeauftragten 30 korrigierte Klausuren auf dem Postweg zum Prüfungsamt abhanden gekommen sind und er die Noten anschließend anhand von Notizen nicht ganz fehlerfrei "rekonstruiert" hat. 

Peinlich: Ein Master-Student, der ein leeres Blatt abgab, hat eine Top-Note erhalten. SPD-Generalsekretär Andre Stinka ernennt Laschet deshalb boshaft zum "Kniffel-Armin", der Noten auswürfelt. Im Juli 2014 war Laschet mit 30 Studenten seines Europa-Kurses nach Berlin gefahren, später sollte die Gruppe eine Klausur über den Besuch schreiben. Gemeinsam mit seiner Co-Korrektorin hatte Laschet die Arbeiten nach eigenen Angaben benotet und mit der Post ohne Einschreiben zur Uni geschickt. Dort aber kam sie offenbar nicht an. Ein Nachforschungsantrag wurde nie gestellt. Noch eine Ungereimtheit bleibt: Während die Dekanin des Philosophischen Fakultät, Christine Roll, gestern mitteilte, dass Laschet noch "vor der Rücksprache mit dem Prüfungsausschuss" anhand seiner Notizen eine nachträgliche Benotung vornahm, pochte Laschet darauf, dass das Verfahren zur Notengebung mit der Geschäftsführung des Studiengangs abgestimmt war. In seinem privaten Computer hat der CDU-Politiker noch eine E-Mail vom 21.Januar 2015 gefunden, in der er auf den Verlust der Klausuren und das abgestimmte Verfahren verweist. Für Laschet wird die "Noten-Affäre" zu einem politisch gefährlichen Akt, weil die rot-grüne Koalition schwere Geschütze auffährt. Für SPD-Fraktionschef Norbert Römer handelt es sich um einen "Skandal erster Güte". Laschet trickse, täusche und hintergehe Studierende und beschädige den Ruf der Hochschule, erklärt Römer. Grünen-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh bleibt sachlich. Auch bei ihm löst der Vorgang aber "Stirnrunzeln" aus. SPD und Grüne fordern einen Bericht der Landesregierung im Wissenschaftsausschuss des Landtags. Der Skandal wird zur politischen Steilvorlage. Kleinlaut räumt der inzwischen als Lehrbeauftragter zurückgetretene Laschet ein, dass "der Verlust der Klausur-Unterlagen nicht hätte passieren dürfen". 15 Jahre lang sei der Versand per Post gut gegangen. Künftig dürfen Lehrbeauftragte nur noch Kopien aus der RWTH Aachen zur Korrektur mitnehmen. Dass Laschet die Noten anhand seiner Notizen rekonstruieren wollte, verteidigt er bis jetzt als "sachgerechte Lösung", um eine Nachprüfung zu vermeiden. Spekulationen, dass der Aachener den Verlust der Klausuren möglicherweise mit einem Noten-Lifting vertuschen wollte (schlechteste Note 2,3), weist die Hochschule entschieden zurück. Gute Noten seien bei solchen Blockveranstaltungen nicht unüblich. Für Laschet liegt die "Verfahrenshoheit" über Prüfungen bei der Hochschule und "nicht bei einem ehrenamtlichen Lehrbeauftragten". Und die RWTH Aachen habe schließlich ihr Okay zum Verfahren der Rekonstruktion der Noten gegeben. Gleichwohl ist der Vorgang für den CDU-Politiker höchst "ärgerlich". Obwohl der Parteivorsitzende wegen des "misslichen Vorgangs" die Reißleine gezogen hat und den Lehrauftrag nach 16 Jahren aufgab, um die Hochschule nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, wie er sagt, weiß Laschet, dass die Affäre natürlich parteipolitisch ausgeschlachtet wird. SPD-Fraktionschef Römer zögert nicht lange und greift frontal an. "Wer sich so verhält, kann nicht Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sein." 
Quelle: Kölnische Rundschau vom 04.06.2015

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