Dienstag, 3. Februar 2015

Studienabbrecher sind begehrt

KÖLN. Jährlich beginnen in Köln rund 12 000 Erstsemester ein Studium, es gibt insgesamt rund 100 000 Studierende. Es gibt keine validen, genauen Zahlen zum Thema Studienabbruch in Köln. Grobe Schätzungen gehen von einer Abbrecherquote von 20 bis 30 Prozent aus. Je nach Studienfach variieren die Quoten stark, besonders viele, rund 40 Prozent, steigen etwa im Fach Ingenieurwissenschaften aus. 

Vom ungeliebten BWL-Studium zum Fachmann für Lagerlogistik, vom Informatikstudium zum erfolgreichen Programmierer, sogar vom angehenden Sozialarbeiter zum Maßschneider führen berufliche Karrieren nach einem Intermezzo an einer Hochschule: Studierende, die sich nach einigen Semestern neu orientieren möchten, können in einen Zug voller guter Angebote umsteigen. Das Ziel: neue Berufsperspektiven und ein guter Abschluss in Handwerk oder Unternehmen. Das bundesweit einzigartige Modellprojekt des Kölner Bündnisses für Arbeit bietet ihnen die Chance zum Durchstarten. Zielgruppe sind auch Unternehmen, die engagierte junge Leute mit einigen Semestern Hochschulausbildung für sich gewinnen wollen. 
Die „Umsteiger“ müssen dabei nicht wieder bei null anfangen. Das Bündnis setzte das Projekt auf die Schiene, um das große Potenzial von Studien-Umsteigern zu nutzen und ihre erworbenen Leistungen und Fähigkeiten entsprechend anzuerkennen, betonten gestern Ute Berg, Wirtschaftsdezernentin der Stadt, Arbeitsagentur-Chefin Roswitha Stock, Vertreter von IHK, Handwerkskammer, Kreishandwerkerschaft, Jobcenter und DGB Köln-Bonn. „Das Projekt macht den Hochschulen keine Konkurrenz“, so Berg. „Für den Wirtschaftsstandort ist es existenziell wichtig, dass qualifizierte Beschäftigte vor Ort zur Verfügung stehen.“ Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel erhoffe man sich motivierten Nachwuchs. Die Studenten können sich von Experten der Lernenden Region, die das Konzept ab sofort umsetzt, über die vielfältigen Möglichkeiten beraten lassen. Die Finanzierung der Maßnahmen für die Teilnehmer tragen die Netzwerkpartner, darunter auch der Arbeitgeberverband, gemeinsam. 
Der Fahrplan ist einzigartig: Erstmals werden bei dem Modellvorhaben systematisch (je nach Einzelfall) Studienleistungen und Credit Points auf eine Ausbildung angerechnet. Es kann unter Umständen sogar direkt eine Abschlussprüfung abgelegt werden, erläuterten die Beteiligten zum Start des Programms. Eine Säule sind Fortbildungsangebote zur Weiterqualifizierung. Wer zum Beispiel ein Semester studiert hat, kann eine Verkürzung der Ausbildungszeit um 18 Monate erhalten. Wenn ein BWL-Student mit Schwerpunkt Logistik nach sechs Semestern und einem halben Jahr Berufserfahrung in dem Bereich sowie 60 Credit Points vorweisen könnte, hätte er beste Aussichten, direkt zur Abschlussprüfung als Fachmann für Lagerlogistik im IT-Bereich zugelassen zu werden. 
Ein Abschluss bietet auch gute Chancen auf eine qualifizierte Berufstätigkeit statt eines „ungelernten“ Jobs und höherem Risiko der Arbeitslosigkeit. Von den Kölner Berufstätigen haben nur zehn Prozent keinen Abschluss. Das Programm sei „ein Anschluss zum Abschluss“, unterstreichen Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer. Bislang fehlten laut Judith Gövert vom DGB jungen Leuten, die ihr Studium hinterfragen, ein Beratungsangebot und Anrechnungsmöglichkeiten. „Mit ,Umsteigen’ konnte diese Lücke geschlossen werden.“ Das Netzwerk rechnet zum Start des Programms mit einer vierstelligen Zahl von Ratsuchenden, bei der Arbeitsagentur melden sich pro Jahr rund 200 Studienabbrecher. Weitere Informationen und Kontakte sind auf der Homepage zu finden

www.umsteigen-koeln.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen