Montag, 5. Januar 2015

Leserbriefe: "Unser Staat wertet Bildung ab"

Zum Bericht über den scheidenden Vorsitzenden der Telekom Stiftung, Ex-Außenminister Klaus Kinkel, der darin den Bundesländern vorwirft, im Schulbereich zu wenig zu kooperieren, schreiben zwei Leser:

Die Kritik von Klaus Kinkel ist aus meiner Sicht als ehemaliger Lehrer voll und ganz zu unterstreichen. Während meiner Studienzeit (1969-1973) wurde bereits über die notwendige Änderung der Lehrerausbildung gestritten. Der DGB hatte damals die "einphasige Lehrerausbildung" ins Gespräch gebracht. Auf diesem Weg hat es so gut wie keine Änderungen gegeben. Welche Dynamik könnte für Studierende, die Hochschulen und den Arbeitsbereich Schule hinzukommen, wenn wirklich zielgerichtet zusammengearbeitet würde. Aber das scheint zu wenig mit wissenschaftlichem Arbeiten zu tun zu haben. Welch eine Haltung. Durch eine enge Verzahnung hätte man die Möglichkeit, über empirische Forschung Schwachstellen im Bildungsgefüge eher zu erkennen und mit der Politik an Veränderungen zu arbeiten. Die eingeführten Schulinspektionen sind ein zum Teil hilfloses Unterfangen, das System zu verbessern. Kollegien werden angehalten, ihren Unterricht oder das, was man "oben" gerne lesen möchte, in didaktischen Jahresplanungen und Lernsituationen zu bestimmten Abgabeterminen zu verschriftlichen, was dann in Düsseldorf gelesen, kritisiert und abgehakt werden kann. Unter diesem Versuch der Verbesserung des Lernortes Schule leidet das, wofür man eigentlich in der Schule ist, nämlich die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Von wirklichen Fachkonferenzen zur Verbesserung der Unterrichtsarbeit ganz zu schweigen. 

Joachim Schäfer

Klaus Kinkels Forderungen verengen das komplexe Thema bereits im zweiten Satz auf "die Lehrer" und "den Föderalismus". Wäre schön einfach, wenn er recht hätte. So lange das Land NRW pro Jahr pro Lehrkraft etwa 30 Euro in Fortbildung "investiert", sollte er sich dorthin wenden. Wenn man die Fakten in Augenschein nimmt, sollte man damit beginnen, dass Deutschland und speziell NRW pro Schüler/in sehr wenig investiert und sehr hohe Klassenstärken hat. Auch die Unterrichtsverpflichtung der deutschen Lehrkräfte ist im Vergleich sehr hoch. Als Mann einer Partei der Leistung und des Geldes sollte er eher darauf hinweisen, dass wir pro Euro sicher die meisten PISA-Punkte holen. Das ist effektiv. Da kann eben nicht jede/r gefördert und die gleiche Leistung wie in anderen Ländern gefordert werden. Das alles verschweigt er, um die deutschen Lehrkräfte als schlecht ausgebildet und unterbelichtet hinzustellen. Welche Rolle die Lehrkräfteausbildung an der Uni für die Arbeit im Beruf hat, ist strittig. Am wichtigsten ist sicher die Ausbildung an der Schule (Referendariat). Erwähnung hätte die Kürzung der schulischen Ausbildung durch NRW finden können - das schadet. Kinkel weiß es nicht, oder es interessiert ihn nicht? Mit seinen angegebenen Zielen hätte er protestieren müssen. Sechs Monate weniger Ausbildung in den Schulen und Klassen - und er redet Theorie über Uni-Inhalte. Viele halten diese Inhalte für sekundär und die Anwendung in der Klasse für das Allerwichtigste. Dafür werden Lehrkräfte bezahlt. Am Studium herumzubasteln ist weniger effektiv. Auch Kinkel erwähnt die Mitverantwortung der Eltern nach deutschem Recht nicht - obwohl er sie als deutscher Jurist kennt. Statt dessen gibt es Haue für die Unis und die Lehrkräfte im Beruf, weil sie angeblich nicht fit seien. Unser Staat wertet Bildung von ganz oben her ab. Diese Aktivitäten brauchen vorgebildete und schulfähige Kinder. Deshalb reüssiert diese Förderung nur dort, wo Eltern solche Kinder einschulen. Auch die beste Lehrkraft braucht motivierte Kinder, denn Lernen kann man nicht erzwingen

Guido Bley

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