DÜSSELDORF. Zum kommenden Schuljahr 2013/2014
gehen in Nordrhein-Westfalen 39 Sekundarschulen und 28 Gesamtschulen neu
an den Start. Das teilte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne)
gestern in Düsseldorf mit. Diese neuen 67 Schulen mit insgesamt gut 7700
Schülern zeigten das große Interesse der Eltern am längeren gemeinsamen
Lernen ihrer Kinder, sagte die Ministerin. Binnen zwei Jahren seien
damit 81 Sekundarschulen und 48 Gesamtschulen neu gegründet worden.
Löhrmann sprach von einer "beeindruckenden Dynamik". Zugleich sank die
Zahl der Haupt- und Realschulen.
Die neuartigen Sekundarschulen sind mit dem
Schulkonsens von SPD, Grünen und CDU im Sommer 2011 möglich geworden,
die ersten 42 waren zum laufenden Schuljahr 2012/2013 gestartet. Die
Sekundarschule läuft bis zur Klasse 10, mindestens in Klasse 5 und 6
lernen alle Kinder gemeinsam - auch nach gymnasialen Standards. Eine
Kooperation mit einem Gymnasium, einer Gesamtschule oder einem
Berufskolleg ist verbindlich, damit Schüler auch das Abitur ablegen
können. Damit eine Sekundarschule zustande kommt, muss sie mindestens
drei Züge mit 75 Schülern haben. Die meisten neuen Sekundar- und
Gesamtschulen sind laut Ministerin aus einer oder mehreren Haupt- und
Realschulen hervorgegangen.
Löhrmann betonte, die Schullandschaft in NRW
verändere sich derzeit nachhaltig. "Dieser Prozess ist nicht gequält,
sondern er ist gewollt." Mit dem längeren gemeinsamen Lernen lasse sich
effektiv "das Potenzial der Schüler heben."
Bei allen Neugründungen handelt es sich um
Ganztagsschulen. Es sei erfreulich, so Löhrmann, dass viele Schulen auch
inklusive Angebote machen wollen, also das gemeinsame Lernen von
behinderten und nicht behinderten Kindern anstreben. (dpa)
Kommentar:
Sind mehr Ganztags(einheits)schulen ein Zeichen von "beeindruckender Dynamik" im NRW-Schulwesen? Nein, denn vielerorts sind sie für die Kommunen angesichts sinkender Schülerzahlen und fehlender Geldmittel die einzige Möglichkeit, ein eigenes weiterführendes Schulangebot bis zum Abitur aufrechtzuerhalten.
Haben die Eltern haben ein größeres Interesse am längeren gemeinsamen Lernen? Wohl eher dürfte das Interesse gewachsen sein, seine Kinder und deren schulische Angelegenheiten möglichst auszulagern, sprich, sollen sich doch andere um Erziehung und schulischen Erfolg kümmern. Outsourcing, das die Eltern nichts kostet und bei dem die Bildungspolitik auch gleichzeitig noch die "Gelinggarantie" (= höhere Abschlüsse bzw. Abitur für alle) mitliefert - wer da nicht zugreift, muss ja dumm sein.
Haben die Eltern haben ein größeres Interesse am längeren gemeinsamen Lernen? Wohl eher dürfte das Interesse gewachsen sein, seine Kinder und deren schulische Angelegenheiten möglichst auszulagern, sprich, sollen sich doch andere um Erziehung und schulischen Erfolg kümmern. Outsourcing, das die Eltern nichts kostet und bei dem die Bildungspolitik auch gleichzeitig noch die "Gelinggarantie" (= höhere Abschlüsse bzw. Abitur für alle) mitliefert - wer da nicht zugreift, muss ja dumm sein.
Den Preis für diese unselige Vermengung von Sozial- und Sparpolitik mit Bildungsfragen zahlen Schüler und Lehrer. Erstere, weil die Leistungsstarken von den Leistungsschwächeren nämlich ausgebremst bzw. nach unten gezogen werden. Wer glaubt allen Ernstes, dass ein schlechter Schüler besser wird, nur weil die Schulform den Namen ändert und bessere Schüler mit im Raum sind? Genauso gut könnte man behaupten, die Kicker einer Thekenmannschaft würden dadurch besser, wenn sie mit Bundesligaprofis auf demselben Platz trainieren. Wo sind (glaubwürdige) Studien darüber, dass längeres gemeinsames Lernen "effektiv das Potential der Schüler" hebt?
Die Lehrer sollen aus dieser Gemengelage nun mittels "individueller Förderung" ein Erfolgsmodell schmieden - aber was heißt das genau? "Individuell" würde wörtlich genommen bedeuten, dass jeder einzelne Schüler, also aktuell 26-30 pro Klasse, von einem Lehrer auf ihre Bedürfnisse und Potentiale abgestimmtes Lernmaterial erhalten und natürlich beim Lernprozess individuell (d.h. unter den gegebenen Bedingungen weniger als 2 Minuten pro Unterrichtsstunde) begleitet werden. "Differenzierende" Materialien bieten die Schulbuchverlage allerdings nur mit 2 bis 3 variierenden Anforderungsniveaus an, sodass man effektiv nicht über die "Individualität" der Gesamtschule hinauskommt.
Haben 30 Jahre Gesamtschule in NRW dazu geführt, dass das Bildungsniveau gestiegen ist? Nein, das Abitur ist zum Massenphänomen geworden und sein Wert soweit gesunken, dass man in anderen Bundesländern, wie z.B. Bayern, Probleme hat, mit dem "NRW-Abitur" überhaupt einen Studienplatz zu bekommen. "Erstaunlicherweise" haben die in nationalen und internationalen Rankings vorn platzierten Bundesländer, wie z.B. Sachsen, Thüringen oder Bayern, gar keine Gesamtschulen!
Diese NRW-Bildungspolitik zwischen Sozialromantik, Rückgratlosigkeit und Rotstift wird nur einen Effekt mit Sicherheit haben: Eltern, die für ihre Kinder eine gute Schulbildung wollen, werden lieber zahlen und ihren Nachwuchs in Privatschulen schicken. Und genau das tun sie bereits, denn bei allgemein sinkenden Schülerzahlen erfreuen sich die Privatschulen gleichzeitig wachsender Nachfrage, sogar die "Auslaufmodelle" Haupt- und Realschule!
Wie heißt es so schön: "Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!" Und dort, im wirklichen Leben, steht die Leistung des Individuums und nicht Leistungen an das Individuum im Mittelpunkt des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interesses. Dort schauen sich potentielle Arbeitgeber mangels (geeignetem) Nachwuchs immer öfter im Ausland um, denn es scheint offenbar leichter zu sein, einem z.B. polnischen Auszubildenden Deutsch beizubringen, als dem heimischen Egozentriker-Nachwuchs die richtige Haltung zur Arbeit. Zeit zum Umdenken!
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